„Morgenluft“, Ödsteinkarturm und „10 nach 5“, Hoher Dachstein

von Oliver

Lang ist’s her, dass ich mit meinem guten Freund und Kletterpartner Chri richtig ausgerückt bin. In unserer alpinen Sturm-und-Drang-Phase kletterten wir gemeinsam unsere ersten schweren Touren im Gesäuse, verliebten uns in die Hochgolling-Nordwand und machten unseren ersten Trip in die Westalpen. Vor ein paar Monaten vereinbarten wir, quasi auf gute alte Zeiten uns wieder einmal Zeit für gemeinsame Klettertouren zu nehmen und so kams, dass wir Ende September bei perfektem Bergwetter wieder gemeinsam in die Berge zogen.

Als „Aufwärmtour“ wählten wir die recht neue und uns noch unbekannte Tour „Morgenluft“ in der Ödsteinkarturm-Westwand aus. Doch aufwärmen ist relativ, denn alleine der Weg zu dieser Wand hat es in sich. Zuerst mussten wir den steilen und mühsamen Weg in das wilde Ödsteinkar hinter uns bringen. Jedes Mal ein Erlebnis für sich. Wir mussten schmunzelnd zurückdenken an die Zeit, als wir vor fast 10 Jahren die Direkte Ödsteinkante kletterten – und uns dabei mehr fürchteten als uns lieb war. Mittlerweile waren wir auch alpinistisch zum Glück schon etwas reifer – beide Bergführer und um hunderte Klettertouren erfahrener.

Um zur „Morgenluft“ zu gelangen, muss man über die 8 SL-Tour „Kaminwurz“ zusteigen, die Kletterei bis zum 6. Grad in leider nicht immer gutem Fels fordert. Vor allem die erste Länge war schauderlich brüchig – dafür aber perfekt abgesichert! Ist man einmal beim Start der Morgenluft, hat man das gröbste geschafft und der Genuss kann beginnen. Die beiden Xeisler Mario Strimitzer und Mario Jauk haben eine wunderschöne Linie durch perfekten Fels gezogen. Die Tour ist super abgesichert, damit gabs plaisir pur in der wilden Kulisse des Ödsteinkars. Vor allem die letzten Längen boten traumhafte Kletterei.

Am Ausstieg angekommen war die Tour aber lange noch nicht vorbei. Wir mussten zuerst noch ausgesetzt über den Ödsteinkarturm (oder leicht nordöstlich davon) zum Festkogel klettern und von diesem schließlich ca. 1500 Höhenmeter zum ersehnten Bier beim Kölbl absteigen.

Da wir jetzt wahrlich gut eingeklettert waren, wählten wir für den nächsten Tag die Dachstein Südwand aus. Lang hatten wir vom Megaklassiker „10 nach 5“ geträumt, jetzt schnappten wir sie uns. Früh fuhren wir also in die Ramsau, um bei Tagesanbruch den Zustieg zur Südwand zu starten. Mit einem lauten Juchizer begrüßten wir unsere Freunde Roman und Michi, die im „Gichtloch“ in der Südwand schliefen und an der Südwand-Direttissima arbeiteten. Durch die riesigen Randklüfte am Übergang zu Fels wurde das letzte Stück des Zustiegs schon zu einer echten Challenge. Da ist definitiv Kreativität und Vorsicht gefordert.

Die Tour „10 nach 5“ ist ein absolutes Gustostückerl und eine der besten Alpintouren, die ich kenne. Wir hatten Glück, dass die gesamte Tour trocken war und so konnten wir die traumhaften und rauen Seillängen vollends genießen. Die Felsqualität ist fast durchgehend absolut erstklassig! Die anhahltenden Schwierigkeiten und die moderate Absicherung fordern einen soliden, starken Alpinkletterer, aber wenn man die Schwierigkeiten im Griff hat und die zahlreichen guten Placements für Friends und Keile findet ist die Tour ein absoluter Genuss. Für die Absicherung reichte uns ein Satz Cams von 0,3 bis 3, 8 Expressen und ein paar Sanduhrschlingen völlig aus.

Die Routenfindung ist im unteren Teil noch recht leicht, das obere Drittel ist etwas schwieriger. Vor allem die Schlüsselstelle im oberen Drittel ist nicht leicht zu finden, da sehr viele alte Haken in der Wand verstreut stecken und davor einige verwirrende Zwischenstände Verwirrung stifteten. Auch uns kostete dieser Teil etwas Zeit, da die wenigen Haken der richtigen Linie etwas versteckt sind. Nach unserer Ansicht ist die Stelle im neuen Schall-Führer „Kletterarena Dachstein West & Süd“ am besten dargestellt, besser als im Longlines-Topo. Danach war der Weg zum Gipfel frei und wir konnten die letzten Seillängen durch brutal scharfen Fels, aber mit genialen Kletterstellen nach oben ziehen. Zum Schluss machten sich auch die gestrigen Klettermeter bemerkbar, sodass wir um ca. halb 5 am Gipfel ausstiegen.

Viel Zeit war also nicht mehr wenn wir die letzte Gondel um 10 nach 5 (ja, deshalb der Tourenname) erwischen wollten. Also schnell zusammengepackt, ein Gipfelfoto gemacht und auf ging’s Richtung Gondel. Die Hoffnung auf die letzte Gondel gab uns nochmal ordentlich Schub, sodass wir 31 Minuten nach Verlassen des Gipfels bei der Gondelstation waren. Dass dabei ein Paar Kletterschuhe am Gipfel liegen blieben merkten wir erst später…

Nun war endlich Zeit, die erlebten Touren ordentlich zu feiern. Und an solchen Tagen schmeckt’s am besten 😉

Gewaltig war’s, danke Chri für die super Tourentage!